Neue Energiegesetze: Biogas Reloaded – weiter so!

Das Gesetzespaket von GrünenSPD und Union leitet für Strom aus Biomasse eine fundamentale Wende ein – eine positive Überraschung zum Ende der Ampel-Legislatur.

Für alle Biogasanlagen, die nach 20 Jahren mit überwiegender Stromerzeugung in Grundlast weiter in Betrieb bleiben wollen, wird ab jetzt eine kräftige Flexibilisierung gefordert und auch besser gefördert. Das kann die einheimische regenerative Gaserzeugung stabilisieren und schiebt die Transformation von Biogasanlagen zu flexiblen Speicherkraftwerken an.

Knapp sieben Prozent des einheimischen Strombedarfs kommen aus Biogas-Blockheizkraftwerken – seit dem brutalen Förderstopp im Jahr 2014 sind diese Zahlen nahezu unverändert.

Seither wartet die Branche auf neue Impulse. Denn während sich die Entwicklung der fluktuierenden erneuerbaren Energien unter Robert Habecks Energieregentschaft sensationell beschleunigt hat, ging die erzeugte Biogasmenge seit 2022 sogar zurück. Einer vorübergehenden Ermutigung der Anlagenbetreiber in der Gasversorgungskrise stehen stetig wachsende Bürokratie und steigende Betriebskosten gegenüber.

In der Öffentlichkeit und in nahezu allen Studien wurde lange vom Einsatz der Biomasse im Stromsektor abgeraten. Es werde zu viel Fläche „verbraucht“, um Mais zu erzeugen, der anschließend „verbrannt“ werde und für Strom viel zu teuer sei – wie auch die Denker der Energieszene Lion HirthHanns Koenig und Christoph Mauer noch Anfang Januar in der „FAZ“ schrieben. Auf den Flächen könne man ein Vielfaches an Solarstrom erzeugen; die Subventionen für Biogas seien zu teuer.

Halt, meine Herren! Zu kurz gedacht!

Wer tauscht eine Kilowattstunde Solarstrom, typischerweise mittags geerntet, gegen eine Kilowattstunde Strom aus einem Biogas-Speicherkraftwerk in den Abendstunden eines windarmen Werktages? Wie hoch ist der Tauschwert in Geld? Eben! Strom aus einem regelbaren Kraftwerk ist daher wesentlich wertvoller.

Wann stehen die Wasserstoffkraftwerke?

Das spricht nicht gegen PV oder Windenergie. Aber fluktuierende erneuerbaren Energien sind – auch wenn man sie um Stromspeicher ergänzt – eben nicht mit der gespeicherten Bioenergie für die Residuallast vergleichbar. Allein die Substratspeicher an Biogasanlagen „wiegen“ im Herbst etwa 100 Terawattstunden (TWh), aus denen mehr als 40 TWh Strom und 45 TWh Wärme gewonnen werden. Die sofort verfügbaren Gasspeicher entsprechen immerhin etwa 100 Gigawattstunden. An Biogas-Speicherkraftwerken wird diese Sofortreserve meist nochmal vervielfacht.

Und: Wird es wirklich günstiger, wenn die Residuallast der Zukunft aus neu gebauten Gaskraftwerken gedeckt werden muss? Ihr fossiler Treibstoff wird zunehmend durch Fracking als LNG nach Europa geschafft und bringt einen teuren Treibhausgas-Rucksack mit.

Hier fragt sich derzeit die Fachwelt nervös: Wann stehen die Gaskraftwerke, wie teuer wird der Wasserstoff; wann gibt es genug erneuerbare Stromproduktion und die Transportinfrastruktur?

Heimische Biogaserzeugung ist ein Glücksfall

Stattdessen steht Biogas schon heute zur Verfügung. Der Recherchedienst Science Media Center hatte schon 2023 gezeigt, dass Biogas knapp die Hälfte der Erdgaskraftwerke ersetzen könnte, aus Praxiswerten von etlichen Biogasbauern hochgerechnet, sogar deutlich mehr.

Es ist ein Glücksfall, dass Deutschland diese einheimische, effiziente, resiliente Infrastruktur zur Gaserzeugung hat. Allein die bestehenden Anlagen liefern jährlich derzeit zehn Milliarden Kubikmeter Methan mit nahezu 100 Terawattstunden Energiegehalt pro Jahr. Und das könnte nochmal verdoppelt werden – ohne zusätzliche Flächeninanspruchnahme.

Wie? Organische Abfälle und Reststoffe, Nebenprodukte der Landwirtschaft, bodenpflegende Zwischenfruchtkulturen, Untersaaten, der Aufwuchs von Biodiversitätsflächen, Paludikulturen durchlaufen biologisch bedingt eine Zersetzungsphase. In Fermentern von Biogasanlagen wird diese Zersetzung durch Vergärung genutzt. Die Freisetzung der dabei entstehenden Treibhausgase wird vermieden. Die Nährstoffe werden auf den Boden zurückgebracht oder gezielt als Dünger eingesetzt. Biogas ist weit mehr als Maisvergärung.

Ja, die meisten Biogasanlagen sind derzeit noch keine Speicherkraftwerke und die Potenziale sind noch nicht erschlossen – aber genau dafür setzt das Biogaspaket ein politisches Ausrufezeichen. Die Energiewende bleibt ohnehin eine Aufgabe der kommenden Jahre, egal unter welcher Regierung.

Systemwechsel von Grundlast auf Residual- und Spitzenlast

Richtig ist die Kritik, dass Biogasanlagen zunächst sämtlich als Stromerzeuger im Dauerbetrieb gebaut und betrieben wurden. So wurde es im EEG 2004 angelegt, als noch kaum jemand erwartete, wie schnell der Hochlauf von PV und Wind und deren Preisdegression gelingen würde. Der erste Anlauf, Biogasanlagen zu flexibilisieren, war an unklaren Förderkriterien und fehlenden Marktanreizen gescheitert.

Was hat nun zum Umdenken geführt? Wahrscheinlich war es der rasante Erfolg der kleinen, nicht steuerbaren PV-Anlagen, derentwegen die Bundesnetzagentur und das Bundeswirtschaftsministerium dringend nach Möglichkeiten suchen, ungeregelte Dauereinspeiser vom Netz zu nehmen.

Da kommt das Angebot der Flexibilisierung von Biogas-BHKW gerade recht: Die bisherige Einspeisung im Dauerbetrieb oder nach Wärmebedarf muss unterbrochen werden, wenn Wind- und PV-Strom den Bedarf decken.

Das wird nun mit dem Biogaspaket endlich regulatorisch festgelegt: Biogasanlagen bekommen ab jetzt nur noch in einem Drittel der Jahresviertelstunden eine Förderung. Ein Förderanspruch besteht außerdem nur noch, wenn der Marktwert mehr als zwei Cent pro Kilowattstunde beträgt und damit anzeigt, dass eine positive Residuallast besteht.

Um die Biogasmenge weiter zu nutzen, wird in der übrigen Zeit umso mehr Strom erzeugt – der Bau der dafür nötigen Kraftwerksleistung, Gas- und Wärmespeichern wird mit dem auf 100 Euro pro Kilowattstunde Leistung erhöhten Flexibilitätszuschlag angereizt.

Um auch mit erhöhter Kraftwerksleistung eine Chance auf Förderung zu haben, wurde das Ausschreibungsvolumen auf knapp drei Gigawatt in den kommenden Jahren erhöht. Das Gesetz wird damit auch ein milliardenschweres Konjunkturprogramm für mittelständische Unternehmen.

Es gibt auch zwei Wermutstropfen: Für Anlagen, die schon Ende 2025 in ihre zweite Lebensphase wechseln müssen, wurde eine technisch notwendige Übergangszeit vergessen. Die höheren Ausschreibungmengen reichen zudem nur bis Ende 2026 – deshalb ist die nächste Regierung nochmal gefordert.

Mehr Biogas beschleunigt den Ausstieg aus der Kohle

Die Bestandsanlagen, die bisher im Mittel zwischen 5000 und 6000 Stunden einspeisen, dürften auf dieser Grundlage ihre Betriebszeiten sogar auf 1000 bis 1500 Stunden reduzieren, um auch Ende der Dreißigerjahre noch Ertragspotenziale zu haben. Eine breite Teilnahme der Betreiber und weiter passende Ausschreibungen vorausgesetzt, kann Biogas dann trotzdem statt bisher sechs Gigawatt zukünftig mehr als 20 Gigawatt Strom liefern.

Damit würde Biogas zu einem wahrnehmbaren Player im Energiemarkt. Die zugebaute regelbare Leistung wäre dann der erste Teil der „modernen Gaskraftwerke“ der Kraftwerksstrategie. Deren Finanzierung wird entlastet. Die Stromerzeugung aus Kohlekraftwerken kann sogar schneller schrumpfen. Die als Kohleersatz gedachte Verstromung von fossilem Erdgas wird gemindert.

Das bedeutet einen schnelleren Fortschritt für das Klima und schont das Treibhausgasbudget. Gleichzeitig bieten flexible Speicherkraftwerke klimafreundliche Wärme für Wärmenetze.

Was mit der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung gebaut werden soll, ist mit der Biogasvariante schnellernachhaltigerinnovativer und obendrein günstigerSektorkopplung, wo sie wirklich benötigt wird, dezentral und gleichzeitig hocheffizient.

Nicht nur das: Kommt die Kraftwerksstrategie weiter so schleppend voran, dann würde der Kohleausstieg verzögert – mit fatalen Folgen für das Klima und die deutsche Glaubwürdigkeit im Klimaschutz. Bioenergie kann jetzt schon den Kohleausstieg absichern.

Deshalb ist die Entscheidung des Bundestags für das Biogaspaket gar nicht hoch genug einzuschätzen. Die einmütige Zustimmung der Experten in der Ausschussanhörung spricht Bände. Mit SPD, Grünen, CDU/CSU, Linken und BSW waren fast alle Mitglieder des Bundestags für den Gesetzesentwurf. Danke dafür!

Uwe Welteke-Fabricius ist Sprecher des Netzwerks Flexperten, Mitglied im Präsidium des Fachverbands Biogas und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Erneuerbare Energie.

Quelle: Tagesspiegel Background | 07.02.2025
https://background.tagesspiegel.de/agrar-und-ernaehrung/briefing/neue-energiegesetze-biogas-reloaded-weiter-so

Kommentar der Kampagnenleitung zum Tagesspiegel-Bericht


Einige Gedanken zu diesem aktuellen Artikel der taz.

Wie bereits in der dritten Phase der Kampagne werden wir im Fortgang unserer Initiative abwechselnd Artikel aus regionalen und überregionalen Zeitungen auf unserer Landingpage abbilden, die unsere Zielsetzungen widerspiegeln. 

Mit Genehmigung des Autors, Uwe Welteke-Fabricius, haben wir den Artikel im Tagesspiegel vom 07.02.2025 auf die Kampagnen-Webseite gestellt. 

Wir stimmen vielen Standpunkten des Autors zu und würdigen gleichzeitig auch die Last-Minute-Gesetzesentscheidung eines funktionierenden Parlaments in einer politisch sehr unruhigen Phase in Deutschland. 

Gesetze sollen dem Wohl aller Bürger eines Landes dienen. Möge also der Vormittag des 31.01.25 ein Beispiel für überparteiliche, nachhaltig wirksame Entscheidungen aller demokratischen Parteien im Bundestag sein. 

Vorliegendes Gesetz bildet eine gute Basis, unsere berechtigten und plausiblen Forderungen an die Politik in einer neuen Regierung ganzheitlich zu einem gemeinsamen Erfolg zu führen. 

Berlin hat nun schon einiges zugelassen.

Ab jetzt heißt es: Berlin weiter so! und: LASS UNS MACHEN!

Euer Kampagnen-Team

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